Moria

Hilfe für Menschen, die in Lagern leben müssen

Der Text von Uli Preuss erschien am 29.12.2019 im Solinger Tageblatt.

Menschen warten vor der Gesundheitsstation in Moria. Foto: Christoph Zenses

Bihac, Moria, Mittelmeer. An all diesen Orten leben Flüchtlinge in bitterer Not. Natürlich finden es die Mitglieder des Vereins „Solingen hilft“ gut, wenn etwa Flüchtlingskinder aus den Lagern auf Lesbos nach Deutschland geholt werden. „Gleichzeitig“, so der Vorsitzende Dr. Christoph Zenses auf den Vorschlag von Grünen-Chef Habeck, „fragen wir uns, wo die EU-Politik bisher war.“

Erst im Herbst 2018 gründete sich „Solingen hilft e.V.“ und hat seitdem viele Projekte in der Flüchtlingsarbeit anlaufen lassen. Ursprünglich auch für Hilfe in Solingen gegründet, haben sich die Mitglieder entschlossen, dort zu helfen, wo die Not am größten ist.

So kommt in diesen Weihnachtstagen eine Medikamentenlieferung im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos an. Begleitet von einem Haaner Internisten, der auf Vermittlung des Vereins zwei Wochen im Camp praktizieren wird. Christoph Zenses: „Die medizinische Versorgung dort ist katastrophal, Medikamente sind nicht zu bekommen.“

Zenses, der bereits dreimal im Camp arbeitete und davor Schiffsarzt auf dem Flüchtlingsrettungsschiff „Sea Watch 2“ war, versorgt mit der britischen Organisation Kitrinos die Menschen im Camp medizinisch. Das Camp, das einst als Kaserne der griechischen Armee für 2200 Soldaten ausgelegt war, platzt aus allen Nähten, derzeit leben dort zusammengepfercht mehr als 18 000 Flüchtlinge, darunter etwa 7500 Kinder. Dank „Solingen hilft“ haben die Ärzte dort geregelten Zugang zu Medikamenten. Der Verein hat in einer Apotheke in der Stadt Mytilini ein Konto eingerichtet.

Das Konzept ist einfach: Auf Rezept werden Medikamente für die Flüchtlinge vergeben, abgerechnet wird über das Konto aus Solinger Spenden – längst in fünfstelliger Höhe. Hinzu kommt die große Menge Medikamente, die aus Spenden und durch Rabatte Solinger Apotheken angeschafft werden konnten.

Acht Tonnen Winterkleidung wurden nach Lesbos geschickt

Tonnenweise Winterkleidung wurden in einer Kölner Lagerhalle für den Transport nach Lesbos verpackt. © Uli Preuss

Im Camp fehlt es zudem an Winterkleidung. Auch hier helfen die Solinger. In einer zugigen Lagerhalle Mitte Dezember in Köln-Bickendorf zum Beispiel: Frauen des Vereins sortieren gespendete Kleidung. Warme Jacken sind darunter, Mützen, Schals und Babysachen. Schon zwei Tage später sind acht Tonnen davon auf dem Weg nach Lesbos.

Auch der Transport selbst wird teilfinanziert durch Spenden aus der Klingenstadt. Das hier ist ein Gemeinschaftsprojekt von „Solingen hilft“ und dem Kölner „Avicenna Hilfswerk“. Hinter dem steht die Familie um den Schriftsteller Navid Kermani sowie für die Aktion die Moderatorin Isabel Schayani. Ziel der Reise ist das Kleidermagazin auf Lesbos.

Der Transport erreicht die griechische Insel an den Weihnachtsfeiertagen. Doch damit ist es nicht getan. Für etwas Wärme im Lager, in dem die ausgezehrten Menschen in Zelten mit dünnen Wänden leben müssen, haben die Helfer aus der Klingenstadt 300 Heizöfen finanziert. Wieder ist es ein Gemeinschaftsprojekt, diesmal mit der niederländischen Hilfsorganisation „Movement on the Ground“.

Internationale Helfer arbeiten eng zusammen

Kölner, Niederländer und die Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation Kitrinos zeigen deutlich: Die Sorge um die Flüchtlinge ist längst zu einer internationalen Gemeinsamkeit geworden. Einigkeit, wie man sie in den EU-Staaten vergebens sucht, hier unter den Helfern findet man sie. Junge Ärzte aus Frankreich, Großbritannien und den USA sind vor Ort. Händeringend sucht man weitere. „Solingen hilft“ packt auch da an.

Der Arzt aus Haan löst eine Internistin aus Landshut ab. Ihr haben die Solinger bei den aufwendigen Anträgen geholfen, die nötig sind, damit Helfer in Griechenland praktizieren dürfen. Zenses: „Wir vermitteln weiter und würden auch die Flugkosten für junge Mediziner übernehmen“. Wöchentlich erreichen den Solinger Verein neue Bitten. Wie aus dem bosnischen Bihac. Dort auf der Mülldeponie Vucjak wird der Dortmunder Dirk Planert von „Solingen hilft“ mit Kleidung für seine Schützlinge unterstützt. Weit mehr als 1000 Flüchtlinge versorgte der Journalist auf der Deponie, Menschen, die man dort ohne sanitäre Einrichtung, ohne Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung sich selbst überließ.

Das Flüchtlingslager im bosnischen Bihac hat wegen der dortigen Zustände traurige Berühmtheit erlangt. © Dirk Planert

Jetzt ist das Lager aufgelöst, zu viele Medien berichteten von den unhaltbaren Zuständen dort. Bihac ist längst ein Synonym für Unmenschlichkeit geworden. Und Dirk Planert wird weiter helfen. Auch mit Unterstützung aus Solingen. „Ohne eure Hilfe würde es für uns so viel schwerer“, sagte er kurz vor Weihnachten gerührt am Telefon.

Auch in Afrika und Asien helfen Solinger der Bevölkerung
An diesem Tag hatte Planert mit bosnischen Helfern 17 Kinder aus den verschneiten Winterwäldern geholt. Der Dortmunder berichtet von Müttern mit Babys, die in ihrer Verzweiflung in der kalten Wildnis leben wollten, aus Angst zurück nach Syrien oder Afghanistan geschickt zu werden.

Wer hier bei uns in der intakten Zivilisation lebt, kann sich kaum vorstellen, was da an den Außengrenzen vor sich geht, ist von den deutschen Helfern zu hören. Gerne würde sich „Solingen hilft“ auf schlichte Entwicklungshilfe besinnen. Denn bevor sich der Verein gründete, baute man zusammen mit der Kinderhilfsorganisation Friedensdorf International die „Solingen-Houses“, zwei Gesundheitsstationen im Südosten Kambodschas. Hilfe dieser Art wollen die Solinger nicht aus den Augen verlieren. So hat man gerade mit den Soroptimistinnen der Klingenstadt und dem Verein „Baobab“ einen Dörrofen angeschafft.

Frauen in einem senegalesischen Dorf nahe Thies erhalten so Hilfe zur Selbsthilfe. Gelebte Nachhaltigkeit sei das, sagt Vereinsmitglied Barbara Eufinger. Früchte von den Feldern, die sonst ungenießbar werden, könnten haltbar gemacht werden. Sie werden von den Frauen des Dorfes noch Monate nach der Ernte verkauft und machen die Gemeinschaft und das Leben dort etwas reicher.