Kambodscha

Zwei Solingen-Häuser helfen armen Kranken

Die Gesundheitsstationen des Friedensdorfes wurden von Solingern gespendet und versorgen 15.000 Menschen medizinisch. Ein Besuch.

Von Uli Preuss 

Solingen-House I: Die Gesundheitsstation nahm vor über drei Jahren ihre Arbeit auf. Ein Blick ins Innere zeigt neben freundlichen Mitarbeitern hohe Professionalität und Sauberkeit. Nicht selbstverständlich in den Tropen. Foto: Uli Preuss

Der Staub nervt. Er ist lästig und dennoch kann man ihn nicht abschütteln. Er dringt durch die Ritzen, versaut die Kameralinse und legt sich wie ein Gespenst auf die Atemwege der Menschen, die dort leben müssen. Atemwegserkrankungen sind weit vorne bei den Leiden der armen Landbevölkerung Kambodschas. Die Straßen in der Provinz Prey Veng sind Lehmpisten, die wenigen Autos, die hier fahren, wirbeln in der Trockenheit Staub auf und bleiben in der Regenzeit im Schlamm stecken.

Wer hier einen Unfall hat oder krank wird, findet seit dreieinhalb Jahren erstmals schnelle medizinische Versorgung. Davor mussten die armen Bauern, die hier mit ihren Familien in der Gemeinde Kouk Kong Lech leben, sehen, wie sie die über 20 Kilometer entfernte (und geteerte) Nationalstraße 7 und damit die Zivilisation erreichten. Nach Phnom Penh sind es von hier aus immer noch 90 Kilometer.

Seit das Solingen-House I, eine Basisgesundheitsstation (BGS) des Friedensdorfes, im Juli 2014 seine Arbeit aufgenommen hat, ist alles anders.

Am Januarmorgen, als die Besucher aus Deutschland eintreffen, wartet ein Dutzend Patienten geduldig auf Hilfe. Pen Sokha (45) leitet die Station, seit der erste Leiter Sim Sak 2016 nach einer schweren Krankheit starb.

as erste Solingen-House und versorgt jetzt 7200 Menschen und damit rund 1600 Familien. Behandelt werden Verletzungen und Krankheiten. Wenn die Operation eine Betäubung verlangt, wird der Kranke mit dem stationseigenen Krankenwagen ins 30 Kilometer entfernte Hospital gefahren.

Simpel ist das bauliche Prinzip der Station. In vier Behandlungsräumen und einer kleinen Apotheke wird den Menschen eine medizinische Grundversorgung geboten. Hinzu kommen einfache Laboruntersuchungen, Impfungen für die Kleinen, etwa gegen Tropenkrankheiten und die Schwangerschaftsvorsorge mit etwa 140 Geburten im Jahr. Jede Station hat Sanitärräume, Generatoren und einen Frischwasserbrunnen.

Das Einzugsgebiet ist gewaltig. Nach WHO-Standard hat eine BGS mindestens 7000 Menschen zu versorgen. Von denen können sich nur die Wenigsten eine einfache Behandlung leisten. Der Staat Kambodscha, der die Hebammen und Sanitäter bezahlt, hat hier eine Lösung geschaffen. Wer seine Bedürftigkeit nachweisen kann, zahlt nichts, alles andere ist günstig. So sind Impfungen und Bluttests kostenlos, eine Schwangerschaftsuntersuchung kostet 50 Cent.

Für eine Entbindung zahlen Eltern im Solingen-House I zehn US-Dollar, im etwas moderneren und größeren Solingen-House II rund 15 US-Dollar. Deren Leiterin Ek Samen (33) ist gelernte Hebamme und Krankenschwester. Die Mutter zweier Jungs versucht, in der Gemeinde Trobek Aberglauben und Vorurteile zu bekämpfen. Was zum Teil gelingt. So kommen die angehenden Mütter vertrauensvoll in ihre Schwangerschaftskurse. Nur noch sehr selten, so die 33-Jährige, würden in ihrem Einzugsgebiet Entbindungen, wie nach alter Sitte über dem offenen Feuer stattfinden. Sogar die Väter, freut sich Ek Samen, seien bei der Vorbereitung dabei, die Anwesenheit beim Entbindungsvorgang würden sie aber immer noch nach Väter Sitte ablehnen.

Vorne im Eingangsbereich sitzt Mak Srin. Die junge Mutter brachte mit Meth Maya hier ihr zweites Kind zur Welt. Das Baby ist gerade zehn Tage alt und wird im Solingen-House nachversorgt. Allerdings sind auch hier in der Gemeinde Trobek die Geburtenzahlen zurückgegangen. Das liegt sicher nicht an den Hebammen der Station, wohl aber an der sozialen Situation auf dem Land.

Von den 16 Millionen Einwohnern Kambodschas arbeitet über eine Millionen im Nachbarstaat Thailand. Dort gibt es schlechte Löhne, aber immerhin Arbeit. Auch die Hauptstadt Phnom Penh boomt. Billigkräfte werden gesucht, Phnom Penh wird zur Megacity. Zwei Millionen Menschen leben dort offiziell, eine weitere Million illegal.

Auf dem Land bleiben die Älteren und die kleinen Kinder zurück. Die Großelterngeneration betreut in Kambodscha den Nachwuchs, während die Eltern sich zu Hungerlöhnen verdingen müssen. Auch Him Eng (74) und Koy Kea (72) sind solche Großeltern und kümmern sich um die drei Kinder ihrer Tochter, die in Thailand arbeitet.

Die Gesundheitsstation wurde im Herbst 2015 eröffnet und verändert seitdem ihr bis dahin karges Umfeld völlig. Wer heute über die staubige Landstraße nach Trobek kommt, bemerkt die Geschäftigkeit, die rund um die Station entstanden ist. Him Eng und seine Frau Koy Kea leben gleich neben der Station und vor ihrer ärmlichen Hütte haben kleine Straßenläden aufgemacht. Da, wo lange nur Staub und Reisfelder waren, gibt es jetzt Säfte und leckeren Klebereis. Patienten treffen sich zu einem kurzen Gespräch. Und so heilt die Station längst nicht mehr nur Wunden, sondern verbindet Menschen aus 17 Dörfern.

GESUNDHEITSSTATIONEN Das Friedensdorf, sonst Helfer für Kinder in Kriegen und Krisen, baut in Kambodscha derzeit die 34. Basisgesundheitsstation. Davor baute man nach dem Krieg in Vietnam nahezu 100 Stationen.

Der Artikel erschien am 29. Januar 2018 im Solinger Tageblatt.