Moria

Solinger Arzt hilft im Camp Moria auf Lesbos

Zwei Wochen lang wird Dr. Christoph Zenses in der griechischen Flüchtlingsunterkunft bis zu 6000 Menschen medizinisch versorgen.

Von Uli Preuss

Dr. Christoph Zenses an Bord der Sea Watch II. Der Solinger Arzt half im Juni 2017 bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. © Christoph Zenses/Sea Watch

„Handeln statt reden“ ist das Lebensmotto des Solinger Helfers Dr. Christoph Zenses. Auch deshalb beschreibt die Vita des Ohligser Internisten zahlreiche Hilfsmaßnahmen im Dienst der Armen und Hilflosen – weltweit. So war Zenses auf Operationen der Kinderhilfsorganisation „Friedensdorf International“ ebenso unterwegs wie im vergangenen Jahr als Arzt auf dem Flüchtlingsrettungsschiff „Sea Watch II“ im Mittelmeer.

Am Dienstag fliegt der 58-Jährige nach Lesbos. Dort wird er zwei Wochen lang als „senior doctor“ (Arzt mit mehr als fünf Jahren praktischer Erfahrung) die Bewohner des griechischen Flüchtlingscamp Moria medizinisch versorgen.

„Täglich werden es mehr als 80 Patienten sein, die ich zu Gesicht bekomme“, weiß Zenses und erinnert sich dabei an das Gespräch mit einer Vorgängerin, die berichtete, dass bereits bei Öffnung des kleinen „Moria Medical Support“ immer bis zu 50 Menschen warten würden. Was der Arzt dann für Krankheiten diagnostiziert, kennt Zenses von seinem Einsatz im Mittelmeer. „Infektions- und Atemwegserkrankungen, posttraumatische Belastungssyndrome, Bluthochdruck und Hautleiden, die durch mangelnde Hygiene hervorgerufen werden“, zählt er auf.

Krätze, bei uns dank guter Medikamente fast ausgerottet, sei so ein klassisches Campleiden, weiß der Mediziner. Er behandelte bereits Patienten aus den berüchtigten libyschen Lagern und erinnert sich: „Krätze, hervorgerufen durch Wasser- und Hygienemangel, kommt dort immer vor.“ Innerhalb einer Zehnstunden-Schicht wird der Ohligser im Lager arbeiten, geschlafen wird im wenige Kilometer entfernten Örtchen Mytilini. Eine Dienstroutine, die dann unterbrochen wird, wenn nachts ein Schlauchboot mit neuen Flüchtlingen ankommt.

Moria ist eines von vier Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos und gilt als völlig überfülltes Camp und als Schandfleck einer hilflosen EU-Flüchtlingspolitik. Die ehemalige griechische Militärkaserne ist für 2200 Flüchtlinge (Stand April 2017) ausgelegt. Aktuell sollen dort bis zu 6000 Menschen leben. Beobachter sprechen von haarsträubender Unterbringung. Teils in einfachsten Zelten müssen ganze Familien bis zu zwei Jahre lang leben. Die Versorgung ist schlecht. So soll es laut eines Monitor-Fernsehbeitrages nur wenige Stunden am Tag Trinkwasser geben. Journalisten ist der Zugang ins Camp generell verwehrt, dennoch dringen Berichte und Bilder an die Öffentlichkeit.

Die Berichte machen deutlich, das der Umgang mit den Hilfesuchenden schlichtweg menschenunwürdig ist. „Und täglich kommen mehr Flüchtlinge“, sagt Dr. Christoph Zenses. Die schmale Stelle in der Ägäis zwischen dem türkischen Festland und der Insel Lesbos misst kaum zwölf Kilometer.

Dort brachte das griechische und türkische Militär 2017 mehr als 35 000 Flüchtlinge auf. Mehr als 50 000 weitere, vornehmlich aus Ländern wie Syrien, dem Irak, Afghanistan und afrikanischen Staaten, wurden bei der Überfahrt nicht entdeckt. Dr. Christoph Zenses, der auf Einladung der griechischen Flüchtlings-Hilfsorganisation ERCI (Emergency Response Centre International) auf Lesbos kostenlos arbeitet, wird Anfang Mai wieder in Solingen erwartet.

Was den dreifachen Vater und bald fünffachen Großvater antreibt, ist leicht erzählt: „Ich möchte helfen, für die da sein, denen sonst keiner medizinisch hilft – und das unpolitisch.“

DR.CHRISTOPH ZENSES Der Internist machte Schilddrüsen-Messungen im Umfeld von Tschernobyl mit „Pro Ost“, begleitete Einsätze der Kinderhilfsorganisation Friedensdorf nach Angola und half als Arzt auf dem Flüchtlingsrettungsschiff „Sea Watch II“. In Solingen engagiert er sich mit dem Medimobil, in der „Praxis ohne Grenzen“ und bei der Tafel.

Dieser Artikel erschien am 16. April 2018 im Solinger Tageblatt.